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Der Marshallplan und die DDR

Am 16. April 1948 wurde in Paris der Marshallplan unterzeichnet. Er umfasste ein Hilfsprogramm für Westeuropa im Umfang von 12,4 Mrd. Dollar (heute 131 Mrd. Dollar). Damit leistete die USA 16 westeuropäischen Ländern mit Krediten, Rohstoffen, Lebensmitteln und anderen Waren Aufbauhilfe. Von den auf vier Jahre angelegten 14 Milliarden Dollar erhielt Westdeutschland 1,4 Mrd. (heute ein Wert von 9 Mrd. Dollar). Das „European Recovery Program“ (ERP) war erstmals vom damaligen US-Außenminister George C. Marshall in einer Rede an der Harvard-Universität 1947 verkündet worden und trägt daher seinen Namen. Ohne diese Hilfe wäre der wirtschaftliche Aufschwung in der 1949 gegründeten Bundesrepublik nicht so erfolgreich verlaufen.

Die Sowjetunion lehnte auf der Londoner Außenministerkonferenz Ende 1947 eine Beteiligung am Marshallplan ab, bezeichnete ihn als Versuch der Einmischung in die Souveränität der europäischen Staaten. Das Interesse Bulgariens, der Tschechoslowakei, Polens und Ungarns am Marshallplan hatte unter den Sowjets keine Chance. Die Gründung des  Rates für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) im Januar 1949 war da nur ein schwacher Trost.

 Im Osten erfolgte die Hilfe in umgekehrter Richtung. Durch die UdSSR wurden in Ostdeutschland 2.000 bis 2.400 der wichtigsten und bestausgerüsteten Betriebe demontiert. Zudem 11.800 Kilometer Eisenbahnschienen in die Sowjetunion verbracht und damit das Schienennetz um die Hälfte reduziert.

Ab Juni 1946 erfolgte die Entnahme aus der laufenden Produktion. Rund 200 SAG-Betriebe in der DDR  (SAG: Sowjetische Aktiengesellschaft. Das waren Betriebe im Osten, die in das Eigentum der UdSSR übergegangen waren) produzierten von 1946 bis 1953 im Maschinenbau, in der Chemie, der Metallurgie und in anderen Betrieben  mit rund 300.000 Beschäftigten jährlich durchschnittlich fast ein Viertel des DDR-Bruttosozialprodukts. Zu diesen Unternehmen gehörten bis zu ihrer Rückgabe Ende 1953 so bekannte Betriebe wie Eisen- und Hüttenwerk Thale, Schwermaschinenbau Magdeburg, Transportanlagen Leipzig, Pressen- und Scherenbau Erfurt, Elektro-Apparate-Werke Berlin-Treptow, Filmfabrik Wolfen und Chemische Werke Schkopau.  Auf der Grundlage von Archivmaterialien kamen Experten der Berliner Humboldt-Universität auf eine Gesamtsumme von mindestens 54 Milliarden Reichsmark bzw. Ost-Mark an Reparationsleistungen allein der SAG-Betriebe für die UdSSR.

Hinzu kamen die von der DDR getragenen anteiligen Besatzungskosten für die Sowjetarmee, die einen Anteile an den Einnahmen des Staatshaushaltes der DDR von zwölf Prozent 1949 ausmachte, das waren rund 2,2 Milliarden DM. Dieser Anteil ging bis 1958 auf unter fünf Prozent zurück. Ab 1959 wurde der DDR die jährliche Zahlung  in Höhe von 600 Millionen DM, was einem Anteil von 25 Prozent der Besatzungskosten entsprach, erlassen.

Mit all diesen Maßnahmen für die Entschädigung der UdSSR hatte die Ostzone/DDR die höchsten im 20. Jahrhundert bekannten Reparationsleistungen erbracht. Sie betrugen 99,1 Mrd. DM – die der  damaligen Bundesrepublik Deutschland hingegen nur 2,1 Mrd. DM. Laut  Experten betrug die Reparationslast der DDR 97–98 Prozent Gesamtdeutschlands. Das ist pro Person in der DDR das 130-fache gegenüber einer Person der Bundesrepublik. 

Über einen weiterern Umstand, der der Bundesrepublik zugute kam, ihr aber nicht vorgeworfen werden kann, schrieb Walter Ulbricht am 30. Dezember 1961 in der Moskauer „Prawda“. Er bezifferte den wirtschaftlichen Schaden für die DDR durch Abwerbung durch die BRD und Massenflucht von Bürgerinnen und Bürgern der DDR bis zum Mauerbau mit rund 30 Milliarden DM. Von 1952 bis 1961 wechselten mehr als 20.000 Ingenieure und Techniker, 4.500 Ärzte und über 1.000 Hochschullehrer aus der DDR in die Bundesrepublik.

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